Sich kurz vor dem 500. Geburtstag des Bayerischen Reinheitsgebots näher mit dem hiesigen Grundnahrungsmittel zu beschäftigen, bedeutet ja eh schon, obergäriges Bier nach Kelheim zu tragen. Ist die Geschichte doch hier ohnehin ständig präsent. Schließlich wurde von Herzog Maximilian I., Erbe des Weißbierregals und späterer Kurfürst von Bayern, nur knapp 90 Jahre später dahier die erste Weißbierbrauerei genehmigt. Diese kam 1928 in den Besitz der Familie Schneider, nachdem der Gründervater Georg I. noch zu Zeiten König Ludwig II. in München als erster Bürgerlicher das Recht erhielt, Weißbier zu brauen. Was ab 1872 dann dort auch geschah. Und sein Rezept konnte dem damals hippen untergärigen Braunbier dann auch ein obergäriges Pendant entgegensetzen.
Unter den Schneiderschen Brauereierben (die bis dato alle den Namen Georg tragen) erfolgte im Zuge der weiteren Expansion von München aus 1928 auch der Zukauf der historisch ersten herzoglich-bairischen Braustätte in Kelheim, 1946 wurde die gesamte Weißbierproduktion dorthin verlagert. Auch die Familien Georg V. und des aktuellen geschäftsführenden Gesellschafters Georg VI. Schneider leben hier. Grund genug für die Convivien Niederbayern und Ingolstadt, sich die Produktionsabläufe vom amtierenden Traditionsbrauer aus erster Hand erklären zu lassen.
Der legte sich für uns mächtig ins Zeug, gab nicht nur einen Abriss der Geschichte des Hauses, sondern der Bierkultur speziell in Bayern, Europa und weltweit, ging launig und kurzweilig auf aktuelle Entwicklungen und Probleme ein, die sich insbesondere für die Familienbrauereien vor den Brauindustrie-Giganten der Welt stellen.
Nach einem kurzen Film über die Rohstoffgewinnung und die Produktionsschritte führte uns Christian Seidl, Braumeister und oberster Qualitätssicherer, durch die Braustätte. Erklärte fachkundig die Abläufe, von der Aufbereitung des reinen, da aus einer riesigen Waldfläche nördlich Kelheims bezogenen, aber sehr kalkhaltigen Wassers. Von den riesigen Energiemengen, die eine eigene Hackschnitzel-Verbrennungsanlage nachhaltig erzeugt mit einer CO2-Einsparung von mehr als 2000 Tonnen gegenüber früher.
Und ermöglichte uns sogar (nach Anlegen von Mundschutz und Häubchen) einen Blick ins Allerheiligste, die offenen Gärbottiche à ca. 33.000 Liter Fassungsvermögen mit der obergärigen Hefe.
Im Anschluss natürlich auch ein Blickin die hochmoderne Abfüllanlage:
Und dann ging´s weiter für die über 30 teilnehmenden Convivienmitglieder, in den Barrique-Keller, in dem experimentiert wird mit besonderen Geschmacksnuancen und dem Ausbau besonderer Sude für innovative Biere. Jedes Jahr wird in limitierter Auflage ein Weißbier mit besonderer Note in Champagner-Flaschen abgefüllt, das durch Kalthopfung mit besonderen Sorten wie Cascade und verschiedenen Malzsorten den jeweils eigenen Geschmack erhält – derzeit lockt Marie´s Rendezvous. Doch was das Team um den Brauereichef und Elisabeth Rose da für die Führungsteilnehmer an Genüssen vorbereitet hatte, wurde von niemandem erwartet:
Die Biersommeliers Susanne Hecht und Stephan Butz beschrieben fachkundig nicht nur die Auswahl der Spezialitäten der Familienbrauerei, sondern auch der von Johanna Sturm von der Ritterschänke Burg Randeck kunstvoll zu jedem Bier zubereiteten Bayerischen Sushis:
Flusskrebs-Sushi mit Räucherforellenschaum zum Kristall-Weizen, Kalter-Braten-Sushi zur Fest-Weissen, Weißwurst-Sushi zur Hopfen-Weissen, Schwarzwälder-Kirschrollen-Sushi zum Aventinus Vintage und ein Enten-Sushi zu Marie´s Rendezvous…: Welch Genuss! Ergänzt wurde alles von Schokoladen-Köstlichkeiten der Confiserie Storath in Bamberg.
Die Verkostung ergänzte auch Wolfgang Speth, Metzgermeister aus Bergheim bei Neuburg/Donau, mit luftgetrockneten Schinken- und Wurstspezialitäten mit typischem weißen Schimmel-Reifeausschlag:
Brauer Schneider hatte neben der Parallelverkostung von Spezialitäten ausländischer Brauerkollegen (Craft- und Porterbiere, Sour beer) zum Schluss noch zwei besondere Bierschmankerl aufzubieten: Ein von Stephan Butz mit einem zur Weißglut gebrachten Eisenstift hergestelltes Stachelbier, das mit seinem cappucinoartigem Schaum sofort warm genossen werden wollte, sowie eine von ihm selbst vorgestellte tiefgefrorene Hopfenweiße, die bei Raumtemperatur auf Gläser gestülpt zunächst den im Alkohol gelösten vollen Geschmacksextrakt des Weißbieres mit der Fülle seiner Einzelkomponenten und ca. 30%-igem Alkoholgehalt zum Genuss freigab:
Es kann davon ausgegangen werden, dass Ludwig Thomas Dienstmann Alois Hingerl, der sich bekanntlich nach einem himmlischen Intermezzo ertrotzte, in göttlichem Auftrag wieder auf die Erde zurückversetzt zu werden, angesichts solcher Köstlichkeiten seinen Stammplatz im ehemaligen Kurfürstlichen Weißen Hofbräuhaus zu Kelheim erbeten hätte…